Hotel Schlüssel seit 1545
von Anton Kottmann
Das Luzerner Gastwesen
Im Mittelalter stand das Wirtshauswesen allgemein auf tiefem Niveau; bessere Gastlichkeit erhielt man in Bürgerhäusern und in Klöstern. Märkte und Warenstapelplätze zogen Fremde an, die Speis Trank und Bett heischten; damit ergab sich für eine Stadt oder einen Flecken eine gute Geldquelle, weswegen denn der Ruf nach rechten Wirtsstuben und Herbergen laut wurde. Auch die Stadtbehörde hatte dabei Interesse: einerseits unterhielt sie oftmals selbst einen Wein und Bierkeller, den „Ratskeller“, anderseits war sie um eine gute und der Stadt zum Wohl reichende Ordnung im Gastgewerbe besorgt. Daher finden sich schon im ältesten Ratsbüchlein der Stadt Luzern aus dem 14. Jahrhundert verschiedene Vorschriften über Wirtsrechte, Öffnungszeiten und Qualität der Getränke. In der Folge musste der Rat immer wieder Mandate und Vorschriften erlassen, zumal dann, wenn vermehrt Vergehen und Exzesse vorgefallen waren; das wichtigste Gesetz erschien unter dem Namen „Reformation“ 1671, bzw. 1685. Auch im 18. Jahrhundert und bis in unsere Zeit wurdcn solche Verordnungen veröffentlicht und mit mehr oder weniger Erfolg durchgesetzt. Von 1392 bis 1874 hatte der Wirt dem Rat von Luzern das sogenannte „Ohmgeld“, im Volksmud „Umgeld“ genannt, zu bezahlen, eine Steuer auf den Detailverkauf von Wein, später zusätzlich auch auf Bier, Most und Branntwein; 1392 betrug er 16 Schilling pro Saum (entspricht 150 Litern) Wein. Dass das „Ohmgeld“ immer wieder Anlass zu langen Reibereien zwischen Wirten und Behörden wurde, versteht sich.
Im Laufe der Zeit entstanden in Luzern verschiedene Arten von Wirtschaften:
Zunfthäuser
geführt von „Stubenknechten“: Abendtrunk, Gastmähler, aber keine Bewirtung und Herberge für Fremde. Beispiele: Schützen, Schmiede, Schuhmacher
Tavernen
volles Wirtsrecht mit Herberge, kalten und warmen Speisen, Gastmähler, Verkauf über die Gasse. Beispiele: Rother Ochsen, Schlüssel, Krone
Pinten
auch „Buschenschenken“ genannt: Ausschank von Wein, Most und Bier, nur Käse und Brot, Verkauf über die Gasse; keine Herberge, ausgenommen für Schiffsleute an Markttagen und für Wallfahrer am Musegg-Umgang. Beispiele: Hecht, Laterne, Zum ussern Weggis
Milchhäuser (seit Mitte 18. Jh.)
Herberge, sowie Brot und Käse, aber keine warmen und kalten Speisen
Die Besitzer von Gaststätten stammten in der älterer Zeit häufig aus der guten Bürgerklasse, teilweise sogar aus dem städtischen Patriziat: so stossen wir bei den Wirten auf Vertreter der Familien Pfyffer, Sonnenberg sowie Fleckenstein. Bis Mitte des 16. Jahrhunderts sassen jeweils mehrere Wirte im Grossen und sogar Kleinen Rat der Stadt Luzern. Mit dem Wirten allein konnte man nicht leben; daher betrieben alle Wirte noch ein anderes Handwerk oder waren im Handel tätig. Häufig finden wir Metzger, Weinhändler, Bäcker und Viehhändler. Peter Zukäs und Hans Krämer benutzten ihren Wirteberuf als Sprungbrett in die Politik, um sogar ins Schultheissenamt aufzusteigen.
Zahlen zu Luzern:
1393: 28 Tavernen, 28 Pinten
1567: 11 Tavernen, 8 Zunfthäuser
1683: 36 Tavernen, 12 Pinten
1793: 30 Tavernen, 11 Pinten, 5 Milchhäuser
Die ältesten Wirtschaften in Luzern sind:
1332: Metzgern am Weinmarkt 3
1350: Roter Ochsen (bis 1573) beim Rathausturm; Goldener Adler an der Rössligasse 2
1371: Pfistern (Zunftstube) am Kornmarkt
1374: Gelbes Kreuz, Bahnhofstrasse 1
Baugeschichte
Das Gasthaus Schlüssel liegt in der Häuserzeile zwischen der Burgerstrasse und der Barfüssergasse bzw. dem Barfüsserplatz, im spätmittelalterlichen Luzern also zwischen Krienser- und Burgertor. Die ursprünglichen Holzhäuser sollen gemäss einer alten Überlieferung um 1386 nach der Zerstörung des Städtchens Rothenburg von dort nach Luzern gebracht worden sein. 1544 liess der Luzerner Rat mehrere baufällige Gebäude abbrechen und neue steinerne Bauten errichten; ein Teil des Platzes blieb nun frei. Im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts erweiterte man den Barfüsserplatz und stellte gemäss Cysat zur Wasserversorgung der dort wohnenden Bevölkerung einen Brunnen auf, auf dessen Sockel 1519 ein von Hans Holbein gemaltes Fähnlein gesteckt wurde. Dahinter stand eine Reihe von Häuschen, die von Krämern bewohnt waren und wo sich eine Zeitlang die Brotschal befand, ein Gebäude, in dem der Rat den Bäckern gegen einen jährlichen Zins Verkaufsbänke zur Verfügung stellte. Die Häuschen wurden 1720 durch einen grossen Bau ersetzt, der 1845-49 im spätklassizistischen Stil neu errichtet und seit 1951, als die Zentralbibliothek entstand, das kantonale Finanzdepartement beherbergt. 1544 dürfte der Zeitpunkt gewesen sein, da auch der Schlüssel und daneben die Taverne „Zum weissen Wind“ gebaut und mit dem Wirtsrecht versehen wurden. Am Bau mitbeteiligt war wohl Conrad von Laufen, der erste Schlüsselwirt. Am 5. September 1545 bat er die in Luzern versammelten Gesandten der fünf katholischen Orte um Wappenscheiben für seine Wirtschaft. Ob und was er erhalten hat, ist nicht bekannt.
Dem Geschmack der Zeit entsprechend baute man in Luzern noch im spätgotischen Stil, dem aber Renaissance-Elemente beigefügt wurden. Der schmale gotische Stammbau umfasste wahrscheinlich ursprünglich neben dem Parterre noch zwei Etagen. Gemäss Untersuchungen der kantonalen Denkmalpflege haben sich bis heute noch wesentliche Teile der spätgotischen Bausubstanz erhalten. So etwa im Saal im ersten Stock, der die ganze Hausbreite einnimmt und auf der Seite gegen den Barfüsserplatz einstmals Stapelfenster aufwies. Dort konnte man stichbogige Fensternischen mit geschraubten gotischen Fenstersäulen entdecken und restaurieren; die hölzerne Felderdecke dürfte aus dem 17. Jahrhundert stammen. An der Südwand stand ein Steintresor mit Kielbogen und einer Eisentüre, auf welchem das Datum 1544 und ein Steinmetzzeichen eingraviert sind. Dieser Saal diente 1574 den Jesuiten als erstes Schulzimmer, was an einem Balken vermerkt ist.
Interessant ist auch der Hoteleingang wegen seiner im Renaissancestil gehaltenen Türbekränzung aus Sandstein. Es ist eine Muschellünette mit dem kleinen Emblem zweier gekreuzter Schlüssel, umrahmt von einem Stichbogen. Getragen wird der Bogen von den Köpfen eines Löwen und einer Löwin. Auf dem Bogen liegen zwei groteske Drachenwesen.
Mehr oder weniger geglückte Umbauten gab es also in jedem Jahrhundert. 1888 liess Georg Weibel den östlichen Teil des Hauses auf 15.80 Meter erhöhen; Franz von Moos erstellte 1896 im 3. Stock ein eiserner Altan erstellen, und Frau Rodel richtete 1903 gegen die Burgerstrasse hin im Estrich drei Zimmer ein. Nachdem Anton Notz 1909/10 auf Seite der Burgerstrasse ein Glasvordach errichtet hatte, kam es um 1912 zu einem grösseren Umbau. Seither haben alle Besitzer immer wieder bauliche Veränderungen vorgenommen, wobei jene aus dem Jahr 1986 deshalb bedeutsam ist, da mit Hilfe der kantonalen Denkmalpflege einige originale Schmuckstücke gefunden und restauriert werden konnten.
Hotel und Restaurant Schlüssel
16. Jahrhundert
Das heutige Restaurant Schlüssel, wurde, wie oben bemerkt, um 1544/45 erbaut und mit dem Tavernen-Recht versehen. Die erste genannte Wirtsfamilie waren die von Laufen. Aus Sempach stammend, wurde Conrad von Laufen um 1531 in Luzern eingebürgert und verehelichte sich 1515 mit Anna Margaretha Göldlin von Tiefenau, der Witwe des 1549 verstorbenen Johann Baptist Cysat und Mutter des späten Stadtschreibers Renward Cysat. Sie gebar ihm vier Kinder: Hans, Rochus, Afra und Agnes. Hatte sie während der ersten Ehe mit Mann und Kindern noch im elterlichen Göldlin-Haus gewohnt, so zog sie jetzt in den Schlüssel und wurde Wirtin. Conrad war ein leutseliger, in seinen Reden und im Umgang mit den Gästen nicht immer vorsichtiger Wirt, was ihm verschiedene Ärgernisse und mehrere Zitationen vor den Rat bescherte. Schon um 1561 starb er, und Frau Margaretha lebte nun in recht ärmlichen Verhältnissen. Jetzt nahm sich Sohn Renward ihrer und seiner Halbgeschwister, insbesondere Hans von Laufens, an. Der Mutter half er mit Geld und Ratschlägen, so dass sie weiterhin im Schlüssel bleiben konnte. Sie war, wie noch zu berichten sein wird, die Seele der Taverne und zwar fast bis zum Ende ihres Lebens im Jahre 1587.
Wahrscheinlich wurde nun Hans Nachfolger, der sich in erster Ehe mit Anna Marty verheiratete. Als man 1584 Hochzeit feierte, gab es nach dem grossen Hochzeitsmahl mit angeblich 420 Gästen im Schlüssel für 76 Geladene eine Nachfeier, bei der jeder für 23 Gulden essen und trinken durfte. Hans stand noch häufiger als sein Vater vor dem Rat, um über Streitigkeiten, böse Reden und schlechte Behandlung der Gäste Rechenschaft abzulegen. Nur dank der Vermittlung seines Halbbruders Renward kam er um Gefängnisstrafen und Wirteverbot herum, insbesondere als er angeklagt wurde, seine zweite Gattin, Anna Knab, geschlagen zu haben. Auch mit dem Geld konnte Hans nicht umgehen; immer wieder geriet er in Schulden. Nach dem Tod Renwards 1614 sah er sich genötigt, den Schlüssel zu verpachten, hatte aber auch da kein Glück. Ein Lichtblick blieb ihm sein Sohn Leodegar, der mit Hilfe Renwards Apotheker wurde und die Apotheke am Weinmarkt erwerben konnte.
Zur Zeit, da Frau Margaretha von Laufen, verwitwete Göldlin, auf dem Schlüssel wirtete, hatte die Herberge mehrmals die Ehre, hohe geistliche Gäste zu beherbergen. 1570 stieg der heilige Kardinal Carlo Borromeo, Erzbischof von Mailand, da ab. Er war zu dieser Zeit auf einer Visitationsreise zu den katholischen Eidgenossen, um hier die Beschlüsse des Trienter Konzils strikte durchzusetzen. Am Vormittag des 22. August 1570 berichtete Landammann Melchior Lussi aus Stans dem Luzerner Schultheissen Helmlin, der Herr Kardinal treffe am selben Abend gegen 18 Uhr in Luzern ein, wo er Logis nehmen möchte. Wenn er mit seiner 12-köpfigen Begleitung im Schlüssel wohnte, dann geschah das wahrscheinlich auf Vorschlag Renward Cysats, weil der Luzerner Rat nicht so kurzfristig disponieren konnte. Nach intensiven Gesprächen mit Räten und Geistlichen reiste der Kardinal zwei Tage später weiter nach Zug, nicht ohne sich vorher über Bewirtung und Bedienung in Luzern recht zufrieden geäussert zu haben.
Von 1574-1578 beherbergte der Schlüssel die Jesuiten und deren Schüler. Das kam so: Obwohl man in Luzern die Ankunft der „Väter Jesuiten“ sehnlichst erwartet hatte, war bei ihrer Ankunft am 7. August 1574 für ihre Unterkunft gar nichts organisiert. Wiederum dürfte es Renward Cysat gewesen sein, der die beiden Patres Martin Leubenstein und Vitus Liner sowie den Bruder Bartholomäus Brüllisauer kurzfristig seiner Mutter und Schlüssel-Wirtin anvertraute. Sie gab sich nun die grösste Mühe, die Jesuiten zunächst mit dem Nötigsten zu versorgen; die ärmliche Ausstattung und die prekären Bedienungsverhältnisse in der Herberge konnten durch die Hilfe des Franziskaner-Guardians, P. Rochus Nachbur und einiger Privatleute etwas verbessert werden. Eng wurde es im Schlüssel, als die Patres schon nach zehn Tagen, am 17. August, die Schule eröffneten, die sich rasch regen Zustroms erfreute und am Ende des ersten Schuljahres im Sommer 1575 gegen 80 Gymnasiasten zählte. In einem Bericht an den Ordensgeneral vom Sommer 1575 heisst es: „Wir wohnen in einem recht engen Haus, in welchem wir gegen 82 Knaben haben; mehr vermag der Ort nicht zu fassen“. Als die provisorisch gedachte Unterbringung der Jesuiten andauerte und die Schülerzahl wuchs, war Frau Margareta überfordert; sie übertrug daher die Verpflegung der Gäste der Franziskaner Küche vis-a-vis und später an Hauptmann Hans Pfyffer. Inzwischen hatte man sich im Luzerner Rat über die Versäumnisse bei der Ankunft der „Väter“ und die ungenügenden Verhältnisse im Schlüssel zwar tüchtig gestritten, aber noch keinen Ausweg gefunden. Erst als 1577 deswegen der Befehl des Ordensgenerals zum Rückzug der Jesuiten aus Luzern unmittelbar zu erwarten war, schenkte Lux Ritter den Patres seinen Palast – das heutige Regierungsgebäude – als Kollegium. Noch fast anderthalb Jahre dauerte es, bis sie um Weihnachten 1577 den Schlüssel verlassen konnten. Unterrichtet wurde jedoch noch bis anfangs November 1579 im Gasthaus Schlüssel und zwar vor allem im Saal des ersten Stockes. Es ist daher begreiflich, dass in den Jesuitenbriefen aus jener Zeit nicht viel Gutes über die Luzerner zu lesen ist. Die Schuld schob man nicht der Schlüsselwirtin zu, im Gegenteil: die „hospita clavium“ wurde in den „Catalogus der Stifter und Wohltäter“ aufgenommen. Schuldig gesprochen wurde der saumselige und untätige Rat von Luzern. Er veranlasste – teils aus Geldmangel, teils aus Knausrigkeit – denn auch, dass die jährlichen Rechnungen für die Unterkunft der Jesuiten im Betrag von durchschnittlich 760 Gulden zu einem grossen Teil aus Vergabungen und nicht aus dem Stadtsäckel bezahlt wurden. Zu Ehrungen und Honorationen durch die Jesuiten war der Rat jedoch zu jeder Zeit bereit.
Und ein drittes Mal stieg hoher Besuch im Schlüssel ab: am Freitag, 26. September 1586 trafen der päpstliche Gesandte, Nuntius Giovanni Battista Santonio, und seine Begleiter in Luzern ein, um sich an den Feierlichkeiten zum Abschluss des „Goldenen Bundes“ zu beteiligen. In diesem Sonderbund kamen die sieben katholischen Orte überein, jeglichen Abfall vom katholischen Glauben zu verhindern, sich bei Angriffen um der Religion willen gegenseitig Hilfe zu leisten und in Bündnisfragen die Religion über die Politik zu stellen. Weil es der Luzerner Rat einmal mehr versäumt hatte, rechtzeitig für den hohen Gast eine Unterkunft zu besorgen, bezog der Nuntius für einige Tage ein Zimmer im Gasthaus Schlüssel; dann konnte man ihm eine Wohnung zuweisen. Während dieser Zeit herrschte im Schlüssel ein reges Kommen und Gehen von geistlichen und weltlichen Herren, die dem Gesandten ihr Aufwartung machten.
17. und 18. Jahrhundert
In der Folge gab es auf dem Schlüssel häufig Besitzerwechsel; kaum ein Wirt blieb mehr als ein halbes Dutzend Jahre. Die Besitzer waren meistens Handwerker, einmal Pfister und Pastetenbäcker, ein andermal Müller oder Weinhändler; eine Reihe von ihnen sass bis etwa 1660 auch im städtischen Rat. Die Ursachen der vielen Handänderungen sind nicht immer erkennbar; mehrmals führten Erbteilungen zum Verkauf, dann aber auch der Tod des Inhabers oder die Verschuldung des Wirtes. Hin und wieder scheint es Käufer gegeben zu haben, die ein Geschäft witterten und nach dem Kauf – ob mit Gewinn oder Verlust – das Objekt auf jeden Fall rasch wieder los werden wollten.
Um 1638 wirtete Junker Johann Berengar Heinserlin auf dem Schlüssel, der im selben Jahr 1638 zuerst Witwer der Maria Verena Feer und dann Ehemann der Verena Schufelbühl von Bremgarten wurde. Wahrscheinlich verkaufte er die Taverne bald wieder, wurde aber seinen Schulden nicht los und kam 1650 sogar in den Geltstag. Sein weiteres Leben war tragisch: 1653 wurde er der langjährigen Blutschande mit seinen Töchtern aus erster Ehe angeklagt. Er flüchtete, wurde aber 1654 in der Grafschaft Baden eingefangen und nach Luzern verbracht; dort sperrte man ihn bis zum Lebensende um 1660 ein. Der Todesstrafe entging er nur, weil seine Vorfahren grosse Verdienste um die Stadt hatten.
Zwischen 1640 und 1688 gibt es wieder eine Reihe von Besitzern oder zum Teil auch Pächter, so etwa die Gebrüder Peter und Eckhard Lindacher, die zugleich auch Bäcker waren. Interessanterweise liefen die Handänderungen häufig über Mittelsmänner, zumal wenn es sich um Erbverteilungen handelte. 1658 kommt zum ersten Mal ein Bysäss zum Zuge, Jakob Suter; in der Folge stossen wir noch mehrmals auf diese Art Einwohner, die als Landesfremde nicht das volle Bürgerrecht des Wohnortes besassen.
1688 bahnte sich endlich wieder ein Konstanz an, da die Witwe Elisabeth Suter, geb. Huwilerin, mit ihrer ebenfalls verwitweten Tochter Madlen (Magdalena) den Schlüssel an Hans Casper Wismer übertrug. Da Wismer die Schulden von 1400 Gulden nicht verzinsen und amortisieren konnte, übernahm im Dezember 1689 sein Gläubiger Niklaus Bircher die Wirtschaft. Schon einmal, um 1620, war ein Bircher Wirt gewesen, nämlich Junker Cornel. Cornel hatte nach einem kurzen Besuch der Jesuitenschule das Metzgerhandwerk gelernt und wurde eben um 1620 auch Schlüsselwirt, trat dann aber kurz darauf in den französischen Dienst. Niklaus Bircher wirtete bis zu seinem Tod 1742; darnach übertrug dessen Witwe Anna Maria Gürber mit Beistand des Wachtmeisters Niklaus Maugwiler den Gasthof ihrem Sohn Jost Niklaus. Zu dieser Zeit besassen die Bircher einen Garten beim Rothen Turm gegen die Geissmatt hin, zwischen der Reuss und der Strasse in die Geissmatt, also beim Nölliturm, lag.
Jost Niklaus verkaufte am 22. Februar 1755 das Gasthaus an den Beisässen Johann Jost Buocher, der es aber schon Mitte Dezember des gleichen Jahres an Johann von Moos veräusserte. Nun blieben die von Moos Besitzer der Wirtschaft bis 1804; zuerst Johann, ab 1779 Jost und später sein Sohn Josef. Während der helvetischen Zeit nahm Josef von Moos einen Pächter, Jost Niklaus Barth, und verkaufte ihm dann 1804 die Gaststätte. Von den Erlebnissen des Jost und Josef von Moos während der Zeit der Helvetik, da es in Luzern von französischen Besatzungssoldaten und -offizieren wimmelte, sind keine Aufzeichnungen und Erinnerungen zu finden. Da aber zu dieser Zeit im nahen Franziskaner-Kloster auf Befehl der Franzosen eine recht laute Gaststätte errichtet war, können wir annehmen, dass man auch den Schlüssel aufsuchte; hier vielleicht eher Soldaten und Unteroffiziere.
19. und 20. Jahrhundert
In den nächsten 36 Jahren verblieb die Liegenschaft in Besitz der Familie Barth, die aus Willisau stammte. Nach dem Tode des Käufers Joost Niklaus gingen Haus und Wirtschaft an seine Söhne über, zunächst an Sebastian, dann 1834 über eine freiwillige und öffentliche Steigerung an seinen Bruder Anton. Hatte 1804 sein Vater 61000 Gld. (entspricht Fr. 81’000) bezahlt, so blätterte Anton nun 13’150 Gld. (entspricht Fr. 17’533.33) hin. Fünf Jahre später wurde die Liegenschaft durch einen Erb- und Teilungsvertrag zwischen den noch lebenden vier Brüdern Anton, Josef, Johann und Jost aufgeteilt. Josef und Anton erhielten die Wirtschaft zugesprochen; vier Tage später, am 3. Juli 1839, zog Anton den Schlüssel durch Steigerung ganz an sich. Er verkaufte ihn jedoch 21 Monate später mit rund 1000 Franken Gewinn an den Metzger Franz Portmann. Im Verkaufsbrief wurde vermerkt, dass der Besitzer jährlich der Stadt Luzern den „Bürgerfond“ im Betrag von 10 Schilling (entspricht 47 Rappen) zu zahlen hatte; erst am 8. August 1860 wurde dieser Bodenzins abgelöst.
Am 11.November 1846 verkaufte Franz Portmann die Wirtschaft an Joseph Huber von Flüeli für Fr. 21’3333 oder 16’600 Gulden und zog nach Gisikon, wo er eine Metzgerei und eine Wirtschaft übernahm. Ende 1853 musste Joseph Huber jedoch den Konkurs anmelden; die Liegenschaft kam also unter den Hammer und wurde provisorisch Stadtrat Jost Melchior Degen für Fr. 28’484 zugeschlagen. Weil der bisherige Schützenhauswirt, Josef Hess, aber rund 500 Franken mehr bot, wurde er Eigentümer. Nach dessen Tod im Januar 1864 entschied das Gericht am 21. April 1864, dass Frau Magdalena Hess-Greter den Gasthof weiterführen durfte und ihrer Tochter, Frau Josepha Studhalter-Hess in Horw, eine lebenslange Rente von jährlich 520 – 670 Franken zukommen lassen solle. Die Witwe Hess verehelichte sich nochmals mit Ludwig Zumbühl und verkaufte dann 1872 den Schlüssel an Xaver Küttel von Vitznau um den Betrag von Fr. 70’000.
Frau Magdalena Hess hatte im Herbst 1864 für einige Zeit einen Gast, in dem sie sicher nicht einen künftigen Dichter und Ehrenbürger der Stadt Luzern vermutete. Es handelte sich um den 19-jährigen Carl Spitteler, der einige Wochen zuvor wegen Streit mit seinem Vater und wegen einer unglücklichen Liebe aus dem elterlichen Haus in Liestal ausgerissen war. In seiner Seelen- und Identitätskrise reiste der Jüngling in der Ostschweiz herum und gelangte schliesslich ausgehungert, krank und mit wunden Füssen in Luzern an. Hier wusste er durch seinen Freund Josef Viktor Widmann die Adresse eines Georg Vogel, der an der Bruchstrasse hinter dem Schützenhaus wohnte und eine Fotografenlehre begonnen hatte. Vogel nahm ihn mit offenen Armen auf, speiste ihn und gab ihm erste Unterkunft. Weil Vogel aber in schlechten finanziellen Verhältnissen lebte, brachte er Carl Spitteler im Schlüssel unter. Um hier nicht gefunden und nach Hause geholt zu werden, trug sich der Ausreisser unter dem Namen „Carl Freivogel“ in die Herbergsliste ein. So wohnte er während einigen Wochen am Barfüsserplatz, bis ihn Vogel zunächst der in der Familie des Oberschreibers Hartmann, hernach im Hause des Zivilstandesbeamten Rüegger platzieren konnte. Bei Rüeggers gesundete Spitteler auch seelisch und kehrte dann wieder zu den Eltern heim. Mit Vogel und der Familie Rüegger blieb er zeitlebens freundschaftlich verbunden.
Bis 1903 ging der Schlüssel dann wieder alle paar Jahre in anderen Besitz über; mehrere Käufer, etwa Kaufleute oder Privatier, wollten nur Profit machen; andere glaubten an das grosse Geschäft, machten aber nach kurzer Zeit Konkurs. So etwa die Frau Jakob Zinggelers, die nach dem Tode ihres Gatten zusammen mit ihrem Sohn das Erbe erst ausschlug, dann aber doch weiter wirten wollte. Der Stadtrat lehnte ihr Gesuch zunächst ab, gab dann aber auf Rekurs der Witwe bei der Justizkommission im Interesse der Kreditoren nach. Witwe Zinggeler machte jedoch bald Konkurs; bei der Zwangsversteigerung verblieben ihr fast 11’000 Franken Verluste und Schulden.
1899 kaufte das Ehepaar Hodel-Boog den Schlüssel; die Fr. 130’000 bezahlten sie unter anderem mit dem Verkauf eines zwei Jahre vorher erworben Hauses an der Zürichstrasse. Während Frau Rosalie Boog nunmehr Schlüssel-Wirtin war, verdiente ihr Gatte Geld als Lokomotivführer. Ein zusätzliches Einkommen hatten die Eheleute durch die Vermietung einer Wohnung in den über der Gaststätte aufgebauten Stockwerken. 1903 kaufte Anton Notz, der bis anhin in Willisau gewirtet hatte, den Schlüssel für Fr. 136’100. Die Familie Notz blieben auf dem Schlüssel bis etwa 1940, erst Anton, dann um 1928 dessen Sohn Anton.
In den dreissiger Jahren wohnte auch Theodor Wirz in einer der Wohnungen über dem Schlüssel und war recht regelmässig Gast in der Wirtschaft. Theodor Wirz von Rudenz, Sohn des Ständerates und Landammanns Adalbert Wirz, hatte zunächst am Kollegium Sarnen, dann an in- und ausländischen Universitäten Jura studiert und konnte sich anschliessend freiberuflich als Schriftsteller betätigen. Er schrieb nun Erzählungen und Bühnenstücke, unter andrem auch Fest- und Freiluftspiele, die vorwiegend heimatlichen Themen gewidmet waren. Lange Jahre war er Präsident der „Gesellschaft für schweizerische Theaterkultur“, zu deren Gründern er gehört hatte. In den dreissiger Jahren zog er von Sarnen weg nach Luzern und liess sich im „Schlüssel“ nieder; er nannte diesen Aufenthalt „das Asyl“ und schrieb da sein letztes Werk „Der Turi“, in welchem er das Schicksal eines patrizischen Junggesellen aus Luzern darstellte. Ende Oktober 1939 starb Theodor Wirz hier in Luzern.
Nach Notz kam um 1940 Franz Brugger, der aus dem Schlüssel nun mehr Hotel und Restaurant machte. Als die Familie Brugger während des zweiten Weltkrieges das Café Brugger neben der Jesuitenkirche eröffnete, sahen die Schlüsselgäste in den folgenden achtzehn Jahren alle paar Jahre andere Wirtsleute; 1954-1960 betrieb Frl. Margrit Staub gleichzeitig noch die Wirtschaft „Magdalena“. In den 60er Jahren war Dr. Max Frei Besitzer, unterstützt von Frau Marie Mathilde Gressner, die 1967-1973 hälftig am Betrieb beteiligt war. Bis 1984 war sie dann Alleinbesitzerin.
Zofingia
Seit Mai 1984 ist die Altzofingia Miteigentümerin des Schlüssels. Das kam so: Dr. Fritz Roelli-Bühler in Meggen vermachte in seinem Testament das Wohnhaus Zihlmatte 23 in Luzern der Altzofingia mit der Auflage, aus dem Reingewinn der Liegenschaft mittels einer Stiftung an bedürftige Mitglieder der Zofingia Stipendien auszubezahlen und, sofern möglich, ein Studentenheim im Zentrum der Stadt Luzern zu führen. Die nach dem Tode Dr. Roellis im September 1973 errichtete Stiftung unter der Leitung von Dr. Alexander Wili sah sich in der Folge nach einem geeigneten Lokal um. In den Protokollen des Stiftungsrates ist die Rede von einem Haus an der Gibraltarstrasse, vom Hotel Bären, vom Restaurant Weissen Schloss und vom Erwerb des „Sümpfli“ im Wilden Mann. Weil das „Sümpfli“ nach dem Tode der 94-jährigen Frau Emilie Estermann zum Teil umfunktioniert wurde, drängte sich im Sommer 1983 ein Stammlokal-Wechsel auf. Ende September 1983 begann der Stiftungsrat Verhandlungen mit Frau Gressner, Wirtin zum Schlüssel. Man wurde rasch handelseinig: Zunächst galt es, mittels einer aus Altzofingen gegründeten einfachen Gesellschaft Frau Gressner vom Druck einiger ihrer Gläubiger zu befreien. Am 30. März 1984 verkaufte sie dann der Dr. Roelli-Stiftung für Fr. 56’000 einen Fünftel Miteigentum mit Sondernutzung des 5. Obergeschosses und der zwei Dachgeschosse. Am selben Tag erteilte sie auch einer dann am darauffolgenden 10. Mai 1984 errichteten „Genossenschaft zum Schlüssel“ das Kaufrecht für das ganze 4. Obergeschoss und einen Teil des 3. Obergeschosses. Der Schlüssel war an folgende 3 Miteigentümer aufgeteilt:
A: 3/5 Eigentum der Frau Gressner mit Sondernutzung vom Keller bis zu einem Teil des 3. Obergeschosses.
B: 1/5 noch Eigentum der Frau Gressner mit Kaufrecht der Genossenschaft, Sondernutzung: des andern Teils des 3. Und 4. Obergeschosses
C: 1/5 Eigentum der Stiftung Dr. Rölli, Sondernutzung des 5.Obergeschosses und der 2 Dachgeschosse
Die Genossenschaft war notwendig, weil es aufgrund der Statuten der Dr. Rölli-Stiftung verboten war, Miteigentum anders denn zu Studentenwohnungszwecken zu erwerben. Ihr Präsident, Hans-Rudolf Sigrist, verschaffte das notwendige Geld durch Zeichnung von Anteilscheinen bei den Zofingern. Nun mussten Umbauten und Renovationen vorgenommen werden, unter anderem war der Einbau eines Liftes nötig. Am 13. Juni 1986 konnte Hans-Rudolf Sigrist das Gasthaus Schlüssel wieder eröffnen.